MicroStrategy: Bitcoin-Gelddruckmaschine oder tickende Zeitbombe?
MicroStrategy (MSTR) hat in diesem Jahr jede andere Firma im S&P 500 outperformed. Year to Date steht die Aktie um über 560 Prozent im Plus und stellt damit sogar Nvidia in den Schatten. Seit dem Beginn der Bitcoin-Kauf-Strategie im Jahr 2020 weist die Aktie sogar eine bessere Performance auf als Bitcoin selbst. Während Bitcoin seit Anfang 2020 ein Plus von etwa 1000 Prozent gemacht hat, Blickt MicroStrategy aktuell auf ein Plus von über 2800 Prozent seit diesem Zeitraum. Das sind gigantische Werte.
Wie hat MicroStrategy das geschafft?
Die ursprüngliche Kernkompetenz von MicroStrategy, als Business-Intelligence-Anbieter zu arbeiten, ist seit 2020 zu einer Randnotiz des Unternehmens geworden. In den letzten vier Jahren hat MicroStrategy sein Business-Modell auf das Kaufen und Halten von Bitcoin fokussiert. Durch die Ausgabe von Wandelanleihen und neuen Aktien finanziert das Unternehmen immer weitere Bitcoin-Käufe in Milliarden-Höhe. Die Wandelanleihen werden zu einem Zinssatz von 0 Prozent ausgegeben, gewähren den Käufern jedoch die Option, die Anleihe bei Laufzeitende in MSTR-Aktien umzuwandeln. Diese Strategie hat die Bitcoin-Bestände im Balancesheet von MicroStrategy auf über 300.000 BTC getrieben und die Aktie ist im Einklang mit der Entwicklung des Bitcoin-Kurses durch die Decke gegangen.
Das Besondere ist jedoch, dass die MicroStrategy Aktie sich noch schneller im Wert entwickelt als die gehaltenen Bitcoin-Bestände. Die Aktie wird derzeit zu einem Premium von über 250 Prozent im Vergleich zum Net Asset Value seiner gehaltenen Bitcoin-Bestände bewertet.
Aktuelle Zahlen:
- MSTR hält derzeit etwa 330.000 Bitcoin zu einem Wert von etwa 31 Milliarden Dollar
- Die aufgenommenen Schulden belaufen sich derzeit auf etwa 6 Milliarden Dollar
- Der letzte Quartalsumsatz des Unternehmens aus seinem Business Intelligence Geschäft hat etwa 116 Millionen Dollar betragen
- Die Bewertung der Aktie beim derzeitigen Preis beträgt nun über 110 Milliarden Dollar
Dieser hohen Bewertung stehen also auf den ersten Blick ein geringer Gewinn und nur etwa ein Drittel des Wertes an Net Asset Value gegenüber. Das ruft eine Menge Skepsis hervor, viele Analysten sprechen von einem Schneeballsystem und warnen vor einem Kollaps des Aktien-Werts, sobald Bitcoin heftiger korrigieren oder in einen Bärenmarkt übergehen sollte.
Warum ist die Nachfrage nach der Aktie und den Wandelanleihen so hoch?
Die MSTR-Aktie ist defacto zu einem Proxy für ein Bitcoin-Investment geworden. Mittlerweile existieren zwar auch in den USA Spot-Bitcoin-ETFs, die ein regulatorisch abgesichertes Investment in Bitcoin für institutionelle Investoren ermöglichen, dennoch haben viele große Investoren weiterhin keine Möglichkeit, in Bitcoin zu investieren, da sie generell nicht in Commodities investieren dürfen, jedoch sehr wohl in Unternehmen.
Zudem bietet die MicroStrategy Aktie einen Vorteil, den die Spot-ETFs nicht haben: MSTR kann das Investment in Bitcoin aktiv gestalten und über Schuldenaufnahme leveragen. Dadurch, dass die ausgegebenen Wandelanleihen ein hohes Premium zur Aktie haben, kann MSTR Bitcoin sozusagen zu einem Discount kaufen. Einfacher erklärt: Während mein bei einem Investment in den ETF eine Position in der exakten Größe einer entsprechenden Bitcoin-Position minus der Gebühren erwirbt, bietet die MSTR-Aktie eine 2x bis 3x gehebelte Positionsgröße in Bitcoin, je nachdem, wie hoch das Premium wird. Die anhaltenden Bitcoin-Käufe erhöhen also im Endeffekt die indirekt durch die Aktie gehaltene Bitcoin-Position für die Investoren, anstatt den Aktienwert durch die laufenden Neuemissionen zu verwässern. Ein weiterer (kleiner) Faktor ist die Tatsache, dass MSTR zusätzlich immer noch ein laufendes Geschäftsmodell durch die Business Intelligence Dienste hat. Damit können die (in Relation gesehen geringen) Zinskosten für die hohen Schuldensummen bedient werden, ohne Bitcoin-Bestände wieder verkaufen zu müssen.
Ein weiterer Faktor besteht in dem großen Interesse der Anleihe-Investoren. Institutionelle Anleihe-Investoren legen sehr großen Wert auf eine Absicherung gegen Downside. Ein direktes Bitcoin-Investment in den ETF ist zu volatil. Die Wandelanleihen von MicroStrategy nehmen einen Großteil dieser Volatilität heraus, da der Käufer sich am Ende der Laufzeit im Zweifel auch einfach in Cash auszahlen lassen kann und die Option auf Umwandlung in Aktien nicht wahrnehmen muss. Dadurch hat man zwar das allgemeine Downside-Risiko der Geldentwertung durch Inflation über diesen Zeitraum, sowie das Risiko des teilweisen Zahlungsausfalls seitens MicroStrategy, sollte das Eigenkapital durch einen zu großen Wertverlust der Bitcoin-Bestände zu sehr sinken. Jedoch stellt dies insgesamt eine deutlich geringere Volatilität dar als Bitcoin direkt zu halten. Zudem ist der durchschnittliche BTC-Kaufpreis von MicroStrategy recht niedrig (unter 50.000 Dollar), was einen kompletten Zahlungsausfall unwahrscheinlich macht.
Die Tatsache, dass MSTR-Wandelanleihen bisher immer mehrfach überzeichnet waren und das beispielsweise der Versicherer Allianz zuletzt eine große Menge gekauft hat, zeigt, wie stark die Nachfrage nach den Wandelanleihen und dieser indirekten Wette auf Bitcoin seitens großer Anleihen-Investoren ist.
Kann diese Strategie langfristig funktionieren?
Michael Saylor hat sich zu der Kritik der enormen Überbewertung geäußert und einen Vergleich zur Öl-Industrie gezogen: Öl-Unternehmen werden nicht anhand ihrer gelagerten Rohöl-Bestände bewertet, sondern nach dem Wert des wirtschaftlichen Prozesses, das Öl nutzbar zu machen, bspw. durch die Umwandlung in Benzin. Aus seiner Sicht macht MicroStrategy etwas ähnliches mit Bitcoin, indem sie die Kryptowährung für institutionelle Investoren über verschiedene Wege wie die MSTR-Aktie oder die Wandelanleihen nutzbar machen.
Diese Strategie ist kein Schneeballsystem, sie ist jedoch im Endeffekt eine Wette gegen den US-Dollar, da Saylor mit seiner Firma Schulden in einem Wert (Dollar) aufnimmt, der unbegrenzt verfügbar ist und ständig in seiner Menge ausgeweitet wird und mit diesem Kapital einen Wert (Bitcoin) kauft, der streng limitiert ist. Es handelt sich dabei im Großen und Ganzen um eine spekulative Attacke auf den US-Dollar, die MSTR selbst eingeht und anderen Wallstreet-Akteuren gegen ein hohes Premium zur Verfügung stellt, die die Wette selbst nicht direkt eingehen können.
Diese Strategie funktioniert so lange, wie das Premium hoch bleibt. Dazu muss die Nachfrage nach den Wandelanleihen, den Aktien und auch nach Bitcoin selbst hochbleiben. MSTR wird jedoch als sinnbildliche Schleuse für immer größere Kapitalmengen des Aktien- und Anleihemarktes zu einem immer relevanteren Bitcoin-Käufer, der den Preis nach oben treibt.
Es ist schwer zu beurteilen, wie hoch das Risiko für MicroStrategy wirklich ist, da die institutionelle Adaption und die Nachfrage nach Bitcoin in den letzten Jahren immer größer geworden ist und der Sieg der Republikaner und ein Umschwenken der US-Regierung zu einer Bitcoin-freundlichen Einstellung diese Dynamik potenzieren kann. Im Zweifel sind Anleger jedoch immer besser beraten, direkt in Bitcoin zu investieren, da man dadurch sämtliche systemischen Risiken durch die Infrastrukturen der traditionellen Finanzmärkte umgeht. So auch unternehmerische Risiken bei MicroStrategy.