Finanzen

CBDC: Eine Geisterdebatte über den digitalen Euro

Ein digitaler Euro (CBDC) gilt der Bitcoin-Szene als Schreckgespenst des montetären Totalitarismus, vor dem allein ein freies elektronisches Geld wie Bitcoin schützt. Mit Joana Cotar erreichte diese Debatte vor kurzem auch den Bundestag. Mit der Realität hat sie aber nur begrenzt etwas zu tun.

Vor kurzem hat die parteilose Bitcoin-Abgeordnete Joana Cotar im Bundestag eine kurze Rede über CBDC gehalten. CBDC ist die Abkürzung von „Central Bank Digital Currency“, also digitales Fiatgeld, und meint in diesem Zusammenhang einen von der EZB herausgegebenen digitalen Euro.

Die Rede von Frau Cotar fand euphorischen Applaus in der Bitcoin-Szene. Sie wurde international beachtet und sogar in andere Sprachen übersetzt. Teilweise wurde zwar kritisiert, dass die Ex-AfD-Politikerin sich nicht genügend vom Rechtsextremismus abgrenze. Doch selbst diese Kritik erkannte an, dass sie mit ihrer Rede den Nagel auf den Kopf traf.

Aber hat sie das? Ehrlich gesagt nicht wirklich. Denn es handelt sich vor allem um eine Geisterdebatte, die Bitcoin als Lösung eines Problems inszeniert, das es gar nicht gibt.

„Social Scoring nennt sich das, und mit dem digitalen Euro auch problemlos hier möglich“

Niemand brauche den digitalen Euro, sagt Frau Cotar, außer der EZB und den Politikern, welche „die totale Überwachung“ wollen. Zwar verspreche die EZB Datenschutz, doch dies sei ebenso viel wert wie die Versprechen bei der Einführung des Euro, beispielweise dass es keine Bailouts geben werde.

In China nutze die Regierung den digitalen Yuan bereits, um die Bürger zu kontrollieren. Nur wer sich staatskonform verhalte, erhalte Zugang zu seinem Geld. „Social Scoring nennt sich das, und mit dem digitalen Euro auch problemlos hier möglich“. Joana Cotar zeichnet ein dystopisches Bild der Überwachung: Wenn man einen Flug bucht, wird geprüft, ob man noch CO2-Guthaben hat, eine Zahlung im Restaurant wird nur freigegeben, wenn man geimpft ist, und Spenden an unbequeme Organisationen werden schlicht zurückgehalten.

Kurzum: Es ist „ein digitaler Alptraum“, weshalb keine Abstimmung über das „Wie“ nötig sei, sondern der Bundestag das Projekt des digitalen Euro vollständig zurückweisen solle.

Was ändert der digitale Euro am Status Quo?

Natürlich ist eine solche Vision des kontrollierten Bezahlens dystopisch, und natürlich tun Bitcoiner gut daran, sie lieber zu früh als zu spät von sich zu weisen.

Allerdings ist schwer nachvollziehbar, warum genau der digitale Euro diese Dystopie erwecken soll. Schon heute sind alle elektronischen Euro-Transaktionen überwacht, wenn sie durch Banken und andere Mittelsmänner ausgeführt werden. Diese Dienstleister führen laufend Anti-Geldwäschemaßnahmen aus und hängen an jede Transaktion Daten über Sender und Empfänger an. Darum gibt es ja Bitcoin und andere Kryptowährungen.

Man könnte sagen, ein digitaler Euro würde die Überwachung und Kontrolle effizienter machen. Alle Daten liefen zentralisiert bei der EZB ein. Sie wäre dann nicht mehr auf die Kooperation der Dienstleister angewiesen, weder um zu überwachen noch um zu blockieren. Doch damit dies zutrifft, müsste die EU parallel zur Einführung des digitalen Euro sämtliche anderen Zahlungsverfahren verbietet – was eine denkbar unwahrscheinliche Aussicht ist. Denn ein solches Verbot würde es kaum durch die demokratischen Verfahren der EU schaffen, und wäre selbst dann bei Kryptowährungen gar nicht durchsetzbar. Eben das ist ja die Stärke von Bitcoin.

Überhaupt benötigt die von Frau Cotar skizzierte Gängelei des Zahlenden, dass zahlreiche europäische Rechte ausgehebelt werden. Die Europäische Union, zwar in vieler Hinsicht kritikwürdig, aber kaum autokratisch, müsste ihre tyrannische Fratze zeigen, damit es so weit kommt. Die EU müsste zu einem neuen China werden, das sich gegen alle anderen Zahlungsverfahren zumauert, womöglich zu einem zweiten Nordkorea. Auch dies ist bisher nicht zu erkennen.

Der glitschige Weg

Wenn man wie Frau Cotar – und weite Teile der Bitcoin-Community – einen digitalen Euro ablehnt, weil man fürchtet, die EU würde ihn für ihre autokratische Ambitionen missbrauchen, führt dies auf einen glitschigen Weg.

Müsste man dann nicht die EU ganz ablehnen? Jede Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung im Keim ersticken? Wäre überhaupt irgendeine Art der Modernisierung des Staatswesens zulässig, da dies damit ja auch die Unterdrückung modernisiert wird? Wäre es nicht ein Fehler gewesen, Emails und das Internet einzuführen, da die Staaten Zugriff auf die Infrastruktur haben?

So wichtig es ist, frühzeitig gegen autokratische, den Bürger entmündigende Tendenzen vorzugehen: Wer Technologien nur noch danach misst, was eine hypothetische Tyrannei damit anrichten würde – der ist weniger ein Verteidiger von Freiheit als ein Gegner von Fortschritt. Bitcoiner würden besser daran tun, das Potenzial der eigenen Technologie zu schärfen, anstatt dafür zu werben, der Konkurrenz die technische Fortentwicklung zu untersagen.

Im Grundsatz nicht verkehrt

Ohnehin sind die Pläne eines digitalen Euro noch nicht über grobe Entwürfe hinaus. Die EZB hat sich noch nicht einmal auf ein Konzept geeignet. Nachdem sie Jahre über den digitalen Euro gesprochen hat, hat sie sich Mitte Oktober darauf geeinigt, in die „Vorbereitungsphase“ zu gehen, was explizit noch keine Entscheidung für eine Einführung darstellt.

Es wird also noch Jahre dauern, bis ein digitaler Euro funktionsfähig ist. Falls überhaupt. Und selbst dann ist es fraglich, ob er auf dem Markt der Zahlungsmittel Erfolg haben wird, anstatt den zu erwarteten Platz neben dem digitalen Führerschein und der DeMail zu finden. Wenn die EU nicht den nordkoreanischen Weg einschlagen und jedes andere Zahlungsmittel verbieten würde, müsste ein digitaler Euro erhebliche Vorteile gegenüber der Konkurrenz durch PayPal, Kreditkarten, Stablecoins und mehr aufweisen, beispielsweise die versprochene Privatsphäre, um nicht zum Rohrkrepierer zu werden.

Sollte die EZB solche Vorteile realisieren, würde der digitale Euro dem Markt zunächst einmal schlicht eine Option mehr anbieten. Und daran ist im Grundsatz nichts verkehrt. Aber selbst das bleibt vermutlich eine Gespensterdebatte.

Quelle

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