Finanzen

Digitaler Euro: Werden wir zum gläsernen Bürger?

Seit Jahren wird geplant, geprüft und vorbereitet, doch ob es ihn wirklich mal geben wird, steht noch nicht ganz fest. Der digitale Euro könnte eine neue Zahlungsmöglichkeit und Form von Geld sein, das die Europäische Zentralbank (EZB) ausgibt.

Das elektronische Geld, so der Plan der EZB, soll sicher, kostenlos, privat, wertstabil und offline nutzbar sein. Doch wenn wir mit einer eigenen elektronischen Geldbörse zahlen, wäre jede Transaktion digital nachvollziehbar.

Die Befürchtung, dass unser Verhalten als Verbraucher:innen durch den digitalen Euro durchschaubarer wird, weist Finanzexperte und Chefredakteur von Finanztip, Saidi Sulilatu, zurück. „Wenn wir heute digital bezahlen, sind wir teilweise schon beim gläsernen Verbraucher. Das wird auch mit dem digitalen Euro nicht anders sein“, sagt er.

Die Kritik, dass ein digitaler Euro als Überwachungsinstrument missbraucht werden könnte, bekäme auch Jonas Groß oft zu hören. Er ist Vorsitzender der Digital Euro Association, ein Think-Tank zu digitalen Zentralbankwährungen.

Private Zahlungen mit dem digitalen Euro?

„Häufig wird kritisiert, dass der digitale Euro das letzte Puzzlestück für einen Überwachungsstaat und das Ende der Demokratie sei“, sagt Groß. „Dabei ist es letztendlich eine politische Entscheidung, ob der digitale Euro starke Transparenz oder komplette Anonymität ermöglicht.“ Technisch seien beide Extreme umsetzbar. „Ich hoffe, dass die Entscheidung zugunsten einer großen Privatsphäre für die Nutzer ausfällt“, sagt er.

Wie umfangreich der digitale Euro eingesetzt wird, bestimmt maßgeblich die Obergrenze für den Wert einer Transaktion. Liegt dieses Limit bei wenigen tausend Euro, kann ich zwar beispielsweise einen neuen Laptop oder den Wocheneinkauf mit dem digitalen Euro zahlen. Für den Kauf eines Neuwagens oder die Anzahlung einer Wohnung würde sich diese Zahlungsmöglichkeit aber nicht eignen.

Versprechen zur Anonymität einhalten

Egal, wie hoch meine Transaktion mit dem digitalen Euro ausfallen kann, es kommt auch darauf an, was welche Behörde über meine Zahlung erfährt oder zurückverfolgen kann. Das hält auch die Soziologin Carola Westermeier für ein entscheidendes Argument in der Debatte um den digitalen Euro. Sie forscht an der Universität Gießen zu Finanztechnologien und beobachtet die Entwicklung der digitalen Zentralbankwährung.

„Konkret geht es darum, was das Eurosystem, also die EZB und die nationalen Zentralbanken, von den Transaktionen sehen können, die wir machen“, sagt sie. Wichtig sei es, dass die Versprechen zur hohen Privatsphäre der neuen Geldform bei der technischen Ausgestaltung auch eingehalten würden, so die Wissenschaftlerin.

Westermeier ruft auch dazu auf, die andere Seite zu betrachten: „Was können denn private Akteure, also Banken oder Zahlungsdienstleister sehen, die uns den digitalen Euro bereitstellen? Das ist im Status quo nicht gesichert beantwortet.“ Für sie eine Frage des politischen Willens, diese Frage im Sinn der Verbraucher:innen zu beantworten. „Der digitale Euro sollte weder ein Überwachungstool für den Staat noch eine Goldgrube für kommerzielle Anbieter werden, die die Transaktionsdaten ausnutzen“, sagt die Soziologin.

Unklar ist nicht nur der Schutz unserer Zahlungsdaten. Noch steht nicht fest, welche technische Infrastruktur genutzt oder welche rechtlichen Bedingungen gelten sollen. Geklärt werden soll das in der sogenannten Vorbereitungsphase. Die läuft seit November 2023 und soll zwei Jahre dauern.

Was wir jetzt schon über den digitalen Euro wissen, welche Risiken er haben könnten und wann wir damit zahlen könnten, hört ihr in der Spezialfolge des t3n-Interview-Podcasts. Darin sprechen wir mit Carola Westermeier, Saidi Sulilatu, Jonas Groß und weiteren Expert:innen zu diesem Thema.

Quelle

Click to rate this post!
[Total: 0 Average: 0]
Show More

Leave a Reply

Your email address will not be published. Required fields are marked *