Ist das noch Forschung oder schon ein Angriff?
Die EU möchte erforschen lassen, wie groß der ökologische Schaden durch das Bitcoin-Mining ist – und wie man ihn mildert. Manche sehen darin bereits einen Angriff. Das muss es aber nicht sein.
Wie BTC-Echo jüngst berichtete, startet die EU einen „neuen Angriff auf Bitcoin“. Dabei geht es um eine Ausschreibung für ein Forschungsvorhaben, das „immense Implikationen“ nehmen könne, nämlich die Überregulierung von Bitcoin und Bitcoin-Mining im EU-Raum.
Die Ausschreibung ist vom Generaldirektorat für Finanzstabilität, Finanzdienstleistungen und den vereinigten Kapitalmarkt der EU-Kommission. Sie trägt den Titel „Entwicklung einer Methodologie und eines nachhaltigen Standards um die ökologischen Folgen von Krypto-Assets zu mildern.“ Die Ausschreibung ist mit 800.000 Euro ausgestattet.
Es gebe, so der knappe Text, „Beweise, dass Krypto-Assets signifikanten Schaden für die Umwelt und das Klima sowie negative ökonomische und soziale Externalitäten verursachen können, abhängig vom Konsens-Mechanismus, durch den Transaktionen validiert werden.“ Da es laut EU einen „steigenden Bedarf nach Krypto-Assets“ sowie eine „Ausweitung des Krypto-Minings“ gebe – auch in der EU! – könne dies die Klimaziele der EU unterminieren. Daher solle die Fähigkeit der EU verbessert werden, „die Folgen des Krypto-Minings abzuschätzen, zu mildern und spezifische Standards der Nachhaltigkeit zuaber entwickeln“ – auch vor dem Hintergrund einer künftigen Krypto-Regulierung.
BTC-Echo-Chefredakteur Sven Wagenknecht beklagt, dass die EU laut der Ausschreibung ja schon wisse, dass bestimmte Kryptowährungen umweltschädlich seien. Konkret sei damit offenbar Bitcoin gemeint, der kapitalmäßig einzig relevante Proof-of-Work-Coin. Die Forschung solle vor allem dem „Anti-Bitcoin-Lager“ in der EU neue Nahrung verschaffen. Dementsprechend erwartet Wagenknecht, dass den Zuschlag der Ausschreibung keine ergebnisoffenen Projekte erhalten werden, sondern die Institute, „die eine kritische Haltung gegenüber Bitcoin vertreten“, es sich also eher um eine Auftragsarbeit handele.
Ich persönlich bin mir nicht sicher, ob BTC-Echo hier nicht etwas übers Ziel hinausschießt. Es ist an sich nicht verwerflich, dass die EU eine Studie zum ökologischen Fußabdruck von Bitcoin ausschreibt, und ich denke, man liest zu viel in die einleitende Zeile hinein, wenn man daraus eine Auftragsarbeit ableitet. Es gibt selbstverständlich Beweise, dass Bitcoin-Mining ökologische negative Folgen hat. Man muss schon sehr dichte Scheuklappen haben, um diese Tatsache auszublenden.
Klar ist ebenfalls, dass Bitcoin-Mining in Zeiten eines sich beschleunigenden Klimawandels und einer (angeblichen, politisch stark instrumentalisierten, gefühlten) Stromknappheit unter einem verschärften Legitimationsdruck steht. Laut dem Cambridge Bitcoin Electricity Consumption Index verursacht Bitcoin etwas mehr Treibhausgase als Ungarn, was, selbst wenn die tatsächlichen Werte tiefer liegen, keine kleine Nummer ist und ohne jeden Zweifel einen ökologischen Schaden verursacht. Nicht einberechnet dabei sind sekundäre Kosten, etwa Lüfter, Full Nodes sowie Produktion und Entsorgung von Mining-Hardware.
Dass die EU hierbei eine Studie beauftragt, die die Problematik exakt misst, ist zwar unnötig – es gibt mit Cambridge, dem Digiconomisten und Batcoinz bereits drei kompetente Analysten – aber an sich durchaus nützlich. Die Frage ist freilich, wie fair diese Studie ausfallen wird. Wird sie das, was bereits seit Jahren betrieben wird, nochmal neu erfinden, nämlich die Messung von Stromverbrauch und CO2-Ausstoß des Minings? Oder wird sie darüber hinausgehen und etwa berücksichtigen, dass die kommenden Halvenings den Stromverbrauch senken werden, noch bevor eine EU-Regulierung irgendeinen Einfluss nehmen kann? Wird sie anerkennen, dass das Bitcoin-Mining je wertgeschöpftem Euro eine vergleichbar saubere Branche ist? Wird sie Bitcoin-Investments mit Investments in sagen wir Ölkonzerne und Autombolbauer vergleichen? Wird sie über Methoden nachdenken, wie Bitcoin-Mining die Energiewende vorantreiben, Grünstomnetze stabilisieren und Deponiegas abbauen kann? Wird sie Bitcoin in den Kontext anderer Branchen stellen, etwa Viehaltung und Tourismus, die sehr viel größere Schäden anrichten?
Die entscheidende Frage wird jedoch sein, was aus der Studie folgt. Sven Wagenknecht fürchtet, dass die EU beispielsweise „Bitcoin Mining verbieten, eine Umweltsteuer auf BTC-Transaktionen erheben oder Unternehmen wie beispielsweise Börsen vorschreiben [kann], nur Bitcoin aus grüner Erzeugung zum Handel anzubieten beziehungsweise für Dienstleistungen zu nutzen.“ Dies allerdings hängt erfahrungsgemäß nicht wirklich von einer Studie ab.
Die EU-Kommissare, die gegen Bitcoin sind, brauchen keine Studie, um den Energieverbrauch von Bitcoin zu beklagen. In China hat die Regierung auch eine Studie zum Mining beauftragt, die dann auch gar nicht so negativ ausfiel und einige interessante reguliatorische Vorgehensweisen ins Spiel brachte, nur um bald darauf Mining trotz allem komplett zu verbieten, da es angeblich Chinas Klimaziele gefährde. Die Folge war zwar, dass das Mining (kurzfristig) aus China verschwand, aber sich stattdessen in Kasachstan, Russland und den USA niederließ, wo es sich oft aus Kohlekraft anstatt wie vorher aus Wasserkraft speiste. China machte es sich selbst zwar möglicherweise einfacher, seine Klimaziele gemäß Pariser Abkommen zu erfüllen – die weltweiten Klimaschäden durchs Mining sind aber eher gestiegen.
Man kann hoffen, dass die EU nicht diesem nationalegoistischen Weg des „Paris um jedes Preis“ folgt. Wenn es wirklich ums Klima ginge, sollte eine objektive Studie die EU drängen, die Bitcoin-Miner um jeden Preis an Windparks, Photovoltaik-Farmen und Wasserkraftwerke in der EU anzuziehen. Eine Mischung aus ökologischer Regulierung und Subventionen für strategisches grünes Mining sollte der Königsweg sein.
Bitcoiner hingegen sollten weniger beklagen, dass die EU über ökologische Schäden besorgt ist, sondern stärker selbst aktiv werden, um den ökologischen Fußabdruck des Minings abzubauen. Denn je länger die Dekarbonisierung des Minings auf geringem Maß stagniert – oder sogar rückläufig wird – desto stärker wird Bitcoins Proof of Work ein Legitimationsproblem haben.