„Unnötig viel Energie und verkehrspolitisch sinnlos“: Warum Flugtaxis keine Probleme lösen
Sie fliegen, sie fliegen nicht, sie fliegen: Der Einsatz der Flugtaxis über Paris zu den Olympischen Spielen war zum Politikum geworden: Der französische Staat hatte eine schwimmende Plattform auf der Seine als Start- und Landeplatz genehmigt; die Stadt Paris fühlte sich übergangen und klagte dagegen. Flugtaxis seien ein „umweltschädliches Gadget für Superreiche“, wetterte der grüne Stadtrat Dan Lert. Der Kompromiss des obersten französischen Verwaltungsgerichts: Die Volocopter dürfen über Paris kreisen, aber nur mit Koffern – ohne Passagiere.
Dabei würden Flugtaxis selbst mit Fluggästen an Bord dem Verkehrssystem nicht wirklich helfen. Dazu reicht ein kleines Gedankenexperiment. Man stelle sich beispielsweise den Mittleren Ring in München zur Rush Hour vor. Und jetzt male man sich aus, ein nennenswerter Anteil dieser unfassbar vielen Autos würden über einem kreisen und nach einem freien Landeplatz suchen. Will man so etwas wirklich?
Energie für Flugtaxis könnte andernorts besser genutzt werden
Dazu kommt: Die Lufttaxis verbrauchen unnötig viel Energie. „Senkrecht zu starten und zu landen ist die ineffizienteste Art, sich in der Luft zu bewegen“, sagte Luft- und Raumfahrtingenieur Kay Plötner gegenüber dem Spiegel. Dass die Lufttaxis mit Ökostrom geladen werden sollen, ist kein Gegenargument. Dieser wird auf absehbare Zeit knapp sein. Jede für ein Lufttaxi verbrauchte Kilowattstunde könnte andernorts besser genutzt werden.
Überbordender motorisierter Individualverkehr lässt sich eben nicht bekämpfen, indem man ihn durch eine andere Form des motorisierten Individualverkehrs ersetzt. Wenn wir also überhaupt eine neue Art von Luftfahrzeugen gebrauchen können, dann doch wohl so etwas wie einen fliegenden Fernbus. Dieser würde pro Person weniger Platz, Geld und Energie verschlingen.
Ein Öffi für den Luftverkehr?
Leider lässt das Prinzip des Öffentlichen Nahverkehrs nicht so einfach auf Fluggeräte übertragen. Schließlich können sie nicht alle paar Kilometer Leute ein- oder aussteigen lassen. Auch Ride Pooling funktioniert nicht. Und verzichtet man auf energiehungrige Senkrechtstarter und platzraubende Landeplattformen in der Stadt, müssen die Fluggäste jedes Mal auf irgendeine Weise zum nächsten Flughafen kommen.
Halten wir fest: Elektrische Lufttaxis sind verkehrspolitisch sinnlos. Die Dekarbonisierung von Mittel- und Langstreckenflügen ist zwar hochgradig wünschenswert, technisch aber sehr schwierig. Wo genau ist also der Sweet Spot für die elektrische Verkehrsfliegerei?
Ein ideales Revier wären beispielsweise schwer zugängliche Gegenden, etwa Norwegen mit seinen ganzen Fjorden, oder Länder mit vielen verstreute Inseln. Doch was ist mit dem engvernetzten Mitteleuropa? Oft wird der Zubringerflug vom Flughafen in die Stadt als Szenario genannt. Aber ließe sich nicht deutlich einfacher eine Schnellbahn oder eine dedizierte Fahrspur für Elektrobusse einrichten?
Naheliegender wäre es, möglichst viele der bisherigen Inlandsflüge zu elektrifizieren, ob mit Batterien oder Brennstoffzellen. Das Passagieraufkommen dürfte sich dafür aber in Grenzen halten. Pendlerflugzeuge mit weniger als 19 Plätzen machen laut ICCT derzeit nur etwa vier Prozent aller Abflüge aus und 0,03 Prozent der Passagierkilometer aus.
Und baut man rund um die Elektro-Shuttles ein neues, attraktives Geschäftsmodell auf, stellt sich die Frage: Macht man damit nicht vor allem Bussen oder Bahnen Konkurrenz? Oder erzeugt man gar zusätzlichen Verkehr?
Je länger man darüber nachdenkt, desto kleiner wird die Nische für die Elektro-Passagierflieger. Sinnvoll könnten sie beispielsweise zwischen Städten mit schlechter Bahnanbindung und eigenem Regionalflughafen sein. Theoretisch wäre es meist wohl effizienter, das Bahnnetz auszubauen. Etwas zynisch könnte man aber auch sagen: Möglicherweise werden wir eher reichweitenstarke Regionalflieger mit Superhochleistungsbatterien bekommen als eine funktionierende Bahn.
Übersicht: Elektroflieger
Kurzstrecke | Mittelstrecke | |
Individualverkehr | Ehang
Volocopter |
Autoflight
Beta Joby Lilium Sirius |
Kollektivverkehr | Eviation
Heart Wright Zeroavia |
Senkrechtstarter | Antrieb | Passagiere | Reichweite | Status | Bemerkungen | |
Autoflight Prosperity | ja | Batterie | 5 | 250 km | Vorproduktion | |
Beta Alia 250 | ja | Batterie | 5 | 460 km | Prototyp | |
Ehang EH 216 | ja | Batterie | 2 | 30 km | Typzulassung | |
Elfly Noemi | nein | Batterie | 9 bis 30 | k. A. | k. A. | Wasserflugzeug |
Eviation Alice | nein | Hybrid | 9 | 200 km (el.), 400 km (hybr.) | Prototyp | |
Heart ES 30 | nein | Hybrid | 25 bis 30 | 200 km (el.), 800 km (hybr.) | Komponententests | |
Joby H2FLY | ja | Wasserstoff | k. A. | 800 km | Demonstrator | |
Joby S4 | ja | Batterie | 4 | 240 km | Vorproduktion | |
Lilium | ja | Batterie | 6 | 175 km | Prototyp | |
Sirius Millennium Jet | ja | Wasserstoff | 5 | 1000 km | Komponententests | |
Volocopter City | ja | Batterie | 1 | 35 km | Vorproduktion | |
Wright Electric | nein | Batterie | 100 | 300 km | Komponententests | Retrofit von BAe 146 |
Zeroavia | nein | Batterie / Wasserstoff | 14 bis 100 | k. A. | Komponententests | Retrofit konventioneller Maschinen |
Quelle: Handelsblatt, eigene Recherche