US-Gericht erklärt Sanktionen gegen Tornado Cash für rechtswidrig
Exzellente Nachrichten für die Privatsphäre: Ein US-Gericht urteilt, dass ein Smart-Contract wie Tornado Cash nicht sanktioniert werden darf – und erkennt an, dass es legitime Gründe gibt, seine Coins und Token zu mixen.
Unsere Realitäten zu Kryptowährungen werden viel stärker von Gerichten in den USA als in Deutschland geprägt – und, könnte man hinzufügen: zum Glück. Zumindest kommt zum Fall von Tornado Cash nun eine erfreuliche, die Privatsphäre im Krypto-Space erheblich stärkende, Entscheidung, ein, könnte man sagen, „historischer Sieg“.
Denn ein US-Gericht urteilt, dass es legitime Gründe gibt, einen Mixer zu benutzen, und dass ein Onchain-Mixer wie Tornado Cash nicht zu sanktionieren ist. Und da das Gerichtssystem in den USA so transparent ist, können wir die Entscheidung schön nacherzählen.
Die Vorgeschrieben haben wir bereits beschrieben: Im Herbst 2022 hatte das US-Finanzministerium den Smart Contract „Tornado Cash“ auf die Liste der Finanzsanktionen gesetzt. Tornado Cash ist ein Onchain-Mixer. Er ermöglicht es Usern, mithilfe von Zero-Knowledge-Proofs Coins und Token auf Ethereum zu anonymisieren, also die Kette der Transaktionen zu durchbrechen. Weil Hacker aus Nordkorea Tornado Cash benutzten, setzte die USA gleich alle bekannten Adressen des Mixers auf die Liste.
Dies hat erhebliche Konsequenzen auch für ehrliche User: Wer mit Tornado Cash interagierte, wer, aus welchen Gründen auch immer, Ether oder Token von Adressen des Mixers auszahlte, lief Gefahr, sich mitschuldig zu machen, also selbst mit sanktioniert zu werden.
Sechs User von Tornado Cash haben nun Einspruch gegen die Sanktionen eingelegt.
Legitime Gründe, einen Mixer zu verwenden
Die User machen vor einem Gericht in Texas geltend, dass das US-Finanzministerium bzw. die für Sanktionen zuständige OFAC-Abteilung ihre Kompetenz überschritten habe, als es nicht nur die Adressen der nordkoreanischen Hacker, sondern eines Smart Contracts sanktionierte. Denn eine Open-Soure Software, die sich selbst ausführt, kann nach dem Gesetz nicht sanktioniert werden.
Die Anwendungsfälle eines Mixers wie Tornado Cash sind, schreibt das Gericht, „nun ja, gemischt.“ Die sechs User, die Einspruch einlegen, repräsentieren mehrere legitime Gründe, den Smart Contract zu benutzen: Einer nutzte ihn, um einen Blockchain-Service zu verwenden, ohne zum Opfer bösartiger Cyberangriffe zu werden. Ein anderer, um Geld an die Ukraine zu spenden, ohne dass russische Hacker ihn identifizierten. Der nächste wollte nicht, dass seine Krypto-Aktivitäten zu seiner physischen Adresse führen.
Mixer sind zwar auch Werkzeuge für Kriminelle, wie die Hacker aus Nordkorea. Doch das Gericht erkennt einen wesentlichen Unterschied zwischen Fiatgeld und Kryptowährungen: Diese sind so transparent, dass es für die Nutzer einen erheblichen Nachteil – sogar eine physische Gefahr – darstellen kann, wenn sie ihre Identität mit Adressen verbinden. Mixer pauschal zu verbieten, bringt Menschen in Gefahr!
Es sollte einen mit Glück und Hoffnung erfüllen, dass ein Gericht diese Erkenntnis geschöpft hat. Doch in der Juristerei geht es weniger ums Ergebnis, als ums Prinzip: Richter haben keine wünschenswerten Entscheidungen zu treffen, sondern welche, die im Einklang mit Statuten, Gesetzen und Präzedenzfällen sind.
Entscheidend ist daher nun, unter welchen Umständen die US-Gesetze es erlauben, eine Person oder Organisation auf die Sanktionslisten zu setzen. Und genau hier gibt es starke Gründe, das Vorgehen des Finanzministeriums zu bestreiten.
Dekliniere Eigentum!
Die entsprechenden Gesetze sagen, dass die Regierung „Eigentum, an denen ein ausländisches Land oder ein Bürger ein Interesse haben“ beschlagnahmen können, wenn die Besitzer bzw. ihre Handlungen zur Gefahr für die nationale Sicherheit erklärt wurden. Dies trifft nicht nur auf die Hacker aus Nordkorea zu, sondern auf jede Person oder Organisation, die diesen Dienstleistungen anbietet.
An der Stelle beginnt die Juristik wieder einmal in eine Schlacht um Begrifflichkeiten abzugleiten: Wie soll man Wörter wie „Person“, „Entität“, „Eigentum“, „Interesse“ verstehen? Die User von Tornado Cash, die die Sanktionen in Frage stellen, werfen dem Finanzministerium nun vor, die Begriffe falsch dekliniert zu haben, um ein Urteil zu fällen, das ihnen wünschenswert war, aber nicht den Statuten und Gesetzen gerecht wird.
Tornado Cash ist weder eine „Person“ noch ein „ausländischer Bürger“, der Smart Contract ist kein „Eigentum“, und Tornado Cash kann kein „Interesse“ an diesem haben. Eigentum, schlussfolgert das Gericht nach der Exegese von Statuten und Urteilen, beinhaltet alles, das jemandem gehören kann, ob nun einer juristischen oder privaten Person. Zu Eigentum gehört „das Recht, zu besitzen, zu benutzen und zu disponieren“, und damit auch „andere davon abzuhalten, damit zu interagieren.“
Unveränderbare Smart Contracts wie Tornado Cash können nach diesen Definitionen kein Eigentum sein. Es ist nicht möglich, dass jemand sie besitzt. An sich, meint das Gericht, könnte man an der Stelle aufhören.
Warum Unveränderbarkeit so wichtig ist
Das Finanzministerium hat jedoch, um sich um den Begriff des Eigentums herum zu winden, diesen mit „Interesse“ und „property“ vermischt, ein etwas weicheres Synonym für Eigentum, welches eher das Gegenständliche als den Besitz betont. Die Argumentation ist hier, dass Tornado Cash Profite macht, wenn andere den Mixer verwenden, und damit so ähnlich wie Patente und Urheberrechte als Eigentum verstanden werden können.
Diesen Kniff lässt das Gericht aus zwei Gründen nicht gelten: Erstens profitiert Tornado Cash nicht selbst von den Smart Contracts. Zwar mögen Relayer und TORN-Holder von Gebühren der User profitieren, aber nicht von den Smart Contracts. Den Beweis, dass Tornado Cash, als „Entität“, von den Gebühren profitiert, bleibt das Finanzministerium schuldig. Zweitens sind Patente und Urheberrechte „besitzbar“ – im Gegensatz zu Smart Contracts.
An der Stelle kommt ein technisch entscheidendes Details ins Spiel: Tornado Cash, die DAO, hatte anfangs eine Art SOS-Option, durch die die Entwickler den Smart Contract verändern konnten. Allerdings haben sie dieses Recht nach einiger Zeit nachweisbar verbrannt. Seitdem ist der Smart Contract „unveränderbar“.
Wäre der Smart Contract veränderbar, könnte man Transaktionen, die über ihn laufen, als „Vertrag zwischen dem Betreiber des Smart Contracts und einer dritten Partei“ verstehen – nicht jedoch den Smart Contract selbst. Wenn man dagegen mit einem unveränderbaren Smart Contract interagiert, kann ein User zwar ein Angebot machen, doch es gibt niemanden auf der anderen Seite, der es beantworten oder ablehnen kann – nichts als Code, der das ausführt, was in ihm steht. Dies bekräftigt, dass ein unveränderbarer Smart Contract kein Eigentum sein kann.
„Ein historischer Sieg“
Aus all diesen Gründen, schließt das Gericht, „hat die OFAC ihre verfassungsgemäße Autorität überschritten“. Es gibt dem Einspruch der User von Tornado Cash recht.
Paul Grewal, Anwalt von Coinbase, begrüßt die Entscheidung euphorisch: „Privatsphäre gewinnt“, jubelt er auf Twitter, „dies ist ein historischer Sieg für Krypto und alle, die Freiheit verteidigen wollen.“ Die Smart Contracts von Tornado Cash müssten nun von der Sanktionsliste verschwinden, und „US-Bürger dürfen wieder das ihre Privatsphäre schützende Protokoll verwenden.“
Als Folge sprang der Kurs von TORN, dem Token von Tornado Cash, um mehrere hundert Prozent, von 3,50 Dollar auf kurzzeitig 35 Dollar, um nun bei gut 14 zu stehen. Wer den Mixer nun aber wieder verwenden möchte, muss einige Umwege gehen. Die offiziellen Webseiten wurden heruntergefahren, man muss auf eine Alternative ausweichen, und die meisten Wallets blockieren weiterhin die RPC-Endpunkte. Doch ein Guide erklärt, wie man es etwa in MetaMask wieder einfügt.